Warum ist Kritisieren so schwer?
Warum fällt es so vielen Menschen privat und auch beruflich schwer, andere zu kritisieren oder selbst Kritik anzunehmen? Gründe dafür gibt es viele. Zum einen ist unsere Arbeitsleistung oft eng verbunden mit unserer Identität, unserem Glück und unserem Selbstwertgefühl, weshalb wir auf Kritik an eben dieser Leistung häufig emotional reagieren. Einige Menschen haben auch eine völlig falsche Einstellung gegenüber Kritik und nehmen sie immer gleich persönlich. Außerdem hat beinahe jeder schon einmal negative Erfahrungen beim Empfangen von Kritik gemacht, weil er unsachlich und verletzend kritisiert wurde oder zusehen musste, wie dies einem Kollegen passierte.
Kritik bekommen ist natürlich auch anstrengend: Werde ich gelobt, dann habe ich etwas richtig gemacht und muss einfach nur so weitermachen. Werde ich jedoch kritisiert, dann habe ich etwas falsch gemacht und muss mein Verhalten ändern, anstatt einfach wie immer weiterzumachen. Das ist anstrengend!
Beim Geben von Kritik passieren dir selbst als Führungskraft natürlich auch leicht Fehler, die dann zu Missverständnissen und Demotivation beim Mitarbeiter führen. Doch die meisten dieser Fehler lassen sich ganz einfach vermeiden!
Warum ist gutes und wirksames Kritisieren so wichtig?
Das Geben und Empfangen von Kritik ist ein anspruchsvolles Thema, weil dabei leicht Gefühle verletzt werden und Missverständnisse auftreten können. Das ist nicht gut für Motivation und Leistung!
Kritisieren und kritisiert werden ist eine wichtige, zentrale Führungsfähigkeit, die in die Verantwortung jeder Führungskraft fällt. Diese Fähigkeit kannst und musst du lernen! Wenn du Leitwölfin oder Leitwolf für andere bist, dann musst du ihre Fehler ansprechen und ihnen dabei helfen, sie zu korrigieren. Nur so haben deine Mitarbeiter überhaupt die Chance, ihre beste Leistung zu bringen. Wie sollen sie denn sonst verstehen, was sie genau falsch gemacht haben und was sie besser machen können?
Wenn du deine Mitarbeiter nicht kritisierst, wenn sie etwas falsch machen, nimmst du ihnen die Möglichkeit, Höchstleistungen zu bringen. Das ist einfach unfair! Wenn die Führungskraft sich nicht traut, ehrlich zu kritisieren, dann merkt der Mitarbeiter oft erst im Trennungsgespräch, dass es überhaupt Probleme mit seiner Arbeitsleistung gab. Natürlich gibt es auch Mitarbeiter, die nur „selektiv zuhören“ und nur das hören, was sie hören wollen. Aber es gibt auch Führungskräfte, die ihre Kritik einfach nicht deutlich machen, weil sie sie ganz höflich und vorsichtig verpacken, um den Mitarbeitern auch ja nicht wehzutun. Dann fehlen Ehrlichkeit und Klarheit. Auf Dauer schadet das Mitarbeitern aber viel mehr, als wenn sie einmal deutliche Kritik bekommen und ihr Verhalten somit ändern können. Klarheit ist enorm wichtig bei Kritik!
Sollten gute Mitarbeiter nicht von ihren Führungskräften erwarten, dass diese ihr Verhalten und ihre Ergebnisse kritisieren, wenn es Verbesserungspotenzial gibt? Kritik kommt fast nie überraschend, denn in 95% der Fälle wissen die Mitarbeiter selbst schon instinktiv, DASS sie etwas falsch gemacht haben. Aber sie wissen noch nicht, WAS sie falsch gemacht haben, sonst hätten sie den Fehler ja schließlich nicht gemacht. Genau darum musst du als Leitwolf deinen Mitarbeitern wirksame Kritik bieten, damit sie ihre Fehler erkennen und in Zukunft vermeiden können.
7 Tipps wie du wirksam kritisierst:
Erfolgreiches Führen bedeutet für mich: die Mitarbeiter dazu motivieren, mit Freude Höchstleistungen zu bringen. Denn Erfolg und Spaß gehen Hand in Hand. Du musst deine Mitarbeiter dazu motivieren, täglich ihr Bestes zu geben. Dafür ist wirksames Kritisieren wichtig! Aber wie geht das eigentlich? Was solltest du kritisieren und was nicht? Und wie kritisierst du so, dass Leistung und Motivation nach dem Kritikgespräch steigen?
1 – Kritisiere zeitnah und ohne Zuschauer!
Nur wenn du als Führungskraft Kritik zeitnah zu dem Verhalten, das du kritisieren möchtest, gibst, weiß dein Mitarbeiter noch, worum es eigentlich geht und kann deine Kritik auch nachvollziehen. Und gib deine Kritik grundsätzlich unter vier Augen, damit dein Mitarbeiter sich nicht vor anderen bloßgestellt und gedemütigt fühlt.
2 – Fakten abgleichen
Gleiche die Fakten ab: Stelle unbedingt sicher, dass ihr beide – dein Mitarbeiter und du – über dasselbe Problem sprecht, über dasselbe Verhalten in derselben Situation. Nur so stellst du die Klarheit her, die der Empfänger der Kritik benötigt, um wirklich zu verstehen, was er falsch gemacht hat und in Zukunft besser machen muss.
3 – Frage und höre zu!
Stelle geschlossene Fragen für die Klarheit, welches Verhalten genau kritisiert wird. Aber stelle auch offene Fragen, um zu verstehen, warum dein Mitarbeiter so gehandelt hat, wie er es getan hat.
Ein kurzes Beispiel: Nehmen wir einmal an, du bist Führungskraft in einem Betrieb, in dem es eine Kernzeit von 9 bis 16 Uhr gibt. Nun hast du aber einen Mitarbeiter, der drei Tage in Folge erst um 10 Uhr ankam und zwar ohne seine Verspätung zu erklären. Du rufst also diesen Mitarbeiter in dein Büro und sagst: „Deine Disziplin gefällt mir absolut nicht! Du warst drei Tage hintereinander eine Stunde zu spät im Büro, ohne einen Ton zu sagen. Ich erwarte von dir, dass du ab sofort täglich pünktlich im Büro erscheinst. Ist das klar?“ Was erreichst du damit? Dein Mitarbeiter hat jetzt definitiv verstanden, dass er sein Verhalten ändern muss. Aber weißt du, warum er zu spät gekommen ist, hast du eine Einsicht bei ihm erzeugt oder ihm das Gefühl gegeben, dass du dich für ihn interessierst? Wird er seine grundsätzliche Einstellung ändern und damit sein Verhalten langfristig ändern? Wahrscheinlich nicht.
Aber was passiert, wenn du das Gespräch ganz anders führst, wenn du fragst und zuhörst?
Du könntest zum Beispiel starten mit, „Guten Morgen, komm rein, nimm Platz. Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen. Sag mal, kennst Du eigentlich unsere Kernarbeitszeit?“ Die Antwort wird sein, „Ja, von 9 bis 4“. Dann kannst du fortfahren: „Und in den letzten drei Tagen warst du immer erst eine Stunde später im Büro, richtig?“ Diese zwei geschlossenen Fragen, die nur mit ja oder nein beantworten werden können, zeigen deinem Mitarbeiter glasklar, über welches Fehlverhalten du mit ihm reden willst. Dann kannst du fragen: „Warum warst du eigentlich zu spät?“ Und dann schweigst du und hörst zu. Jetzt muss dein Mitarbeiter reden und sich erklären. Vielleicht hat er ja familiäre oder gesundheitliche Probleme, von denen du ansonsten nicht erfahren hättest?
Durch ein solches Kritikgespräch mit geschlossenen Fragen für die Klarheit und offenen Fragen für die Einsicht erreichst du, dass du deinen Mitarbeiter verstehst und dass er einsieht, was an seinem Verhalten konkret falsch war. Er versteht was er anders machen kann, fühlt sich verstanden und kommt nächstes Mal vielleicht ganz von selbst zu dir, wenn er ein Problem hat, das auch seine Arbeit beeinflusst. So veränderst du dauerhaft die Grundhaltung deines Mitarbeiters.
4 – Nie die Person kritisieren, immer konkretes Verhalten
Bitte sage niemals: „Du bist…“ oder noch schlimmer „Du warst schon immer…“ So kritisierst du auf der persönlichen Ebene und darfst dich nicht wundern, wenn dein Mitarbeiter sich persönlich angegriffen fühlt und deshalb zumacht oder sich wehrt. Kritisiere immer nur konkretes Verhalten und nicht die Person.
Ein Beispiel: Wenn ich meinem Sohn, der in Mathe wirklich sehr gut ist, sage, „Du warst echt faul in Mathe.“ dann nimmt er mir diese Aussage zu Recht persönlich übel. Wenn ich stattdessen sage „Sag mal, deine Vorbereitung auf den Mathetest gestern habe ich anders wahrgenommen als sonst immer. Ist irgendwas nicht in Ordnung?“ Dann reden wir nicht über die Person meines Sohnes, sondern über meine Wahrnehmung seines Verhaltens. Wir reden nicht über seine generelle Einstellung zu Mathematik, sondern konkret über seine Vorbereitung auf den Test. Das Risiko, dass er diese Kritik persönlich nimmt, ist nur durch deine andere Wortwahl viel kleiner geworden. Also, kritisiere niemals die Person, sondern nur den einen Teil ihres Verhaltens, der dir nicht gefällt.
5 – Tragweite des Fehlers klarmachen!
Kommen wir noch einmal zurück auf das Beispiel mit dem Mitarbeiter, der drei Tage in Folge zu spät ins Büro kommt. Wenn du ihn fragst, „Ist dir eigentlich bewusst, dass hier Mitarbeiter um 9 Uhr vergebens auf Dich gewartet haben und deshalb wertvolle Zeit verloren haben?“, dann bringst du ihn zum Nachdenken und machst ihm die negativen Auswirkungen seines Verhaltens bewusst. So kann er verstehen, warum er sein Verhalten ändern muss und das auch selbst will. Deshalb mache die Bedeutung und Auswirkung des Fehlverhaltens deutlich!
6 – Vereinbare eine gemeinsame Lösung!
Am Ende eines Kritikgesprächs ist es wichtig, dass ihr eine klare Lösung vereinbart. Diese Lösung sollte im Idealfall vom Mitarbeiter selbst kommen, damit du als Leitwölfin oder Leitwolf sichergehen kannst, dass dein Mitarbeiter die volle Verantwortung für das Problem und die Lösung übernimmt. Du möchtest nicht, dass er sein Verhalten nur ändert, weil du das willst. Im Gegenteil: Er sollte Dich spüren lassen, dass er sich verantwortlich fühlt für seinen Fehler, dass er genau weiß, was er falsch gemacht hat, und dass er dafür sorgen will und wird, dass der Fehler in Zukunft nicht wieder vorkommt – aus eigenem Antrieb. Darum rege deinen Mitarbeiter dazu an, eine eigene Lösung zu finden, die er dann auch wirklich umsetzen will.
7 – Ermutigen und Unterstützung anbieten!
Gerade wenn das Kritikgespräch hart war, solltest du deinen Mitarbeiter am Ende des Gesprächs wieder ermutigen. Du kannst zum Beispiel sagen, „Du, ich merke, dass du deinen Fehler eingesehen hast und dass du ihn abstellen willst. Wenn du dabei Unterstützung brauchst, dann bin ich gerne für dich da.“ So lässt du ihn nicht allein und gibst ihm die Möglichkeit und Erlaubnis, mit Problemen zu dir zu kommen.
Hier noch einmal die 7 Tipps:
- Kritisiere zeitnah und ohne Zuschauer!
- Fakten abgleichen!
- Frage und höre zu!
- Nie die Person kritisieren, immer konkretes Verhalten
- Tragweite des Fehlers klarmachen!
- Vereinbare eine gemeinsame Lösung!
- Ermutigen und Unterstützung anbieten!
Kritik soll Mitarbeiter motivieren und ihnen helfen, ihre Leistung zu steigern. Deshalb musst du als Leitwolf Fehler deiner Mitarbeiter kritisieren, damit sie lernen und besser werden können. Dabei sollten deine Mitarbeiter immer spüren, dass es deine einzige Absicht ist, ihnen zu helfen. Wenn sie das spüren, dann nehmen sie deine Kritik viel eher sachlich und genauso auf, wie sie gemeint ist – als Motivation und als Hilfe für bessere Leistung.
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Vielen Dank für Deine Aufmerksamkeit,
Dein Stefan Homeister